Zwangsurlaub wegen COVID-19?

Grundsätzlich keine einseitige Anordnung von Urlaub (sog. „Zwangsurlaub“) durch den Arbeitgeber

Dem Arbeitgeber ist es grundsätzlich zunächst einmal verwehrt, seine Mitarbeiter/innen einfach nach Hause zu schicken oder sie anzuweisen, Urlaub zu nehmen, weil es weniger zu tun gäbe, oder aber aus demselben Grund diese statt in Vollzeit schlicht nur mit reduzierter Arbeitszeit arbeiten zu lassen.

Betriebsrisiko liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber

Ist der/die Arbeitnehmer/in arbeitsbereit und arbeitsfähig, ist dem Arbeitgeber die schlichte Weisung, der/die Arbeitnehmer/in möge doch nunmehr Urlaub nehmen, anstatt die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen, grundsätzlich einseitig nicht gestattet.

Ein solcher „Zwangsurlaub“ käme einer Freistellung bei Fortzahlung der Bezüge gleich. Eine solche ist – zumal in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis – ebenfalls nicht ohne weiteres möglich. Vielmehr bedarf es auch für eine wirksame Freistellung eines das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegenden Freistellungs- bzw. Suspendierungsinteresses des Arbeitgebers. Ein solches ist bei einem schlichten Auftragsmangel in der Regel nicht gegeben. Das Betriebsrisiko liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Ist arbeitsvertraglich hierzu keine Regelung getroffen, ist die Verweigerung der Beschäftigung nicht im Wege des Direktionsrechts möglich und eine Urlaubserteilung gegen den Willen des Arbeitnehmer/innen grundsätzlich unzulässig.

Dringende betriebliche Belange können „Zwangsurlaub“ im Ausnahmefall rechtfertigen

Eine Möglichkeit für Arbeitgeber, ihre Arbeitnehmer/innen zu verpflichten, Urlaub zu nehmen – quasi in der Form einer Anordnung von „Zwangsurlaub“ – kommt indes bei dringenden betrieblichen Belangen in Betracht.

„Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange entgegenstehen“.

§ 7 Abs. 1 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)

Wobei zu berücksichtigen ist, dass derartige dringende betriebliche Belangen nicht bei jeder wirtschaftlichen Krise eines Betriebs oder eines Unternehmens vorliegen werden. Schlichter Auftragsmangel oder hierdurch bedingte Störungen im Betriebsablauf legitimieren die Verpflichtung von Mitarbeiter/innen, Urlaub zu nehmen per se nicht.

Zwangslage als Rechtfertigung für Zwangsurlaub

Dringende betriebliche Gründe, welche die einseitige Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Urlaubnahme rechtfertigen können, dürften indes im Falle unvorhergesehener Krisensituationen oder betrieblicher Zwangslagen (wie z.B. der aktuellen COVID-19-Pandemie) gegeben sein, mithin dann, wenn der Arbeitgeber durch die Krisensituation gezwungenermaßen seinen Betrieb einstellen muss. Beim Bestehen eines Betriebsrates ist dieser zu beteiligen.

Umfang einseitiger Anordnung von Urlaub

Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang der Arbeitgeber im Falle einer Krisensituation Urlaub anordnen darf, wird es zunächst auf die Dauer der Krise ankommen sowie darauf, wieviel Urlaub dem/der Mitarbeiter/in noch zur Verfügung steht und ob ggf. bereits Urlaub zu anderen Zeitpunkten durch den Arbeitgeber gewährt wurde. Nach der Rechtsprechung muss dem/der Arbeitnehmer/in jedenfalls ein Teil seines/ihres Jahresurlaubs noch zur freien Verfügung bleiben.

Primär sollten Arbeitsvertragsparteien bestrebt sein, einvernehmliche Reglungen im Einzelfall zu erreichen oder aber entsprechende betriebliche Einheitsregelungen zu erzielen. Beim Bestehen eines Betriebsrates ist dieser zu beteiligen. In Streitfällen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleibt die diesbezügliche (nachlaufende) Rechtsprechung der deutschen Arbeitsgerichte abzuwarten.