Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung

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Von Dr. Philipp Brügge

Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung

Kurzarbeit ist einer der wesentlichen Reaktionsmöglichkeiten zur Abfederung der Folgen der einschneidenden Auswirkungen der Corona-Pnademie und kann ein probates Mittel sein, um zumindest bei vorübergehendem Arbeitsausfall den Abbau bzw. Wegfall von Arbeitsplätzen zu vermeiden, respektive zumindest zu reduzieren.

Fehlen einer vertraglichen, betrieblichen oder tariflichen Grundlage für die Anordnung von Kurzarbeit

Da Kurzarbeit einer entsprechenden vertraglichen, betrieblichen oder tariflichen Einführungsgrundlage bedarf, stellt sich die Frage nach Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber bei Fehlen einer solchen. Hier stellt sich die Frage nach der einseitigen Einführung durch Änderungskündigung.

Änderungskündigung kann im Einzelfall aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein

Die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit werden nicht einheitlich gesehen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht beim Fehlen eeiner arbeitsvertraglichen, betrieblichen oder tarifvertraglichen Rechtsgrundlage für die Anordnung von Kurzarbeit als verbleibende Möglichkeit den Weg über den Ausspruch einer Änderungskündigung. Allerdings hat das BAG – soweit ersichtlich – bisher die Voraussetzungen hierfür nicht näher dargelegt (BAG, Urteil vom 27.01.1994, Az.: 6 AZR 541/93).

Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart zur betriebsbedingten Änderungskündigung aus wichtigem Grund

In einer viel beachteten Entscheidung aus Oktober 2020 hat das Arbeitsgericht Stuttgart entschieden, dass eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, die Einführung von Kurzarbeit zu ermöglichen, im Einzelfall als betriebsbedingte Änderungskündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB gerechtfertigt sein kann (Arbeitsgericht Stuutgart, Urteil vom 22.10.2020, Az.: 11 Ca 2950/20).

Abgrenzung zur Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung

Nach Ansichts der Stuttgarter Richter könne insoweit auch nicht der Maßstab der Rechtsprechung bei der Änderungskündigng zur reinen Entgeltreduzierung herangezogen werden. Da die Einführung von Kurzarbeit, die einen vorübergehenden Arbeitsausfall zum Gegenstand hat, nur auf eine bestimmte Dauer angelegt ist, werde durch diese gerade nicht in das (bei der dauerhaften Entgeltreduzierung betroffene) Äquivalenzinteresse (arbeitsvertragliche Gegenseitigkeitsverhältns) eingegriffen.

Beschäftigungspolitisch gewollter Zugang zum Kurzarbeitergeld

In ihrer Entscheidung stellten die Stuttgarter Richter insbesondere auch auf die gesetzgeberische Wertung der Bestimmungen zum Kurzarbeitergeld (§§ 95 ff. SGB III) ab:

Um den Zugang zum gesetzlich als Regelungsinstrument inKrisenzeiten vorgesehenen und insoweit – bei Vermeidung betriebsbedingter Beendigungskündigungen – auch beschäftigungspolitisch gewünschten Kurzarbeitergeld nicht „zu verbauen“, könnten an die Begründung einer Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit keine erhöhten Anforderungen, insbesondere etwa in Form einer drohenden Insolvenz gestellt werden, soweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt sei.

Rechtfertigung betriebsbedingter Änderungskündigung

Eine betriebsbedingte ordentliche Änderungskündigung ist grundsätzlich sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsangebot bedingen. Zudem muss der Arbeitgeber sich darauf beschränken, dem Arbeitnehmer nur solche Änderungen anzubieten, die dieser billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Dieser Prüfungsmaßstab gilt unabhängig davon, ob die Änderungen gemäß § 2 KSchG unter Vorbehalt angenommen worden sind oder nicht (BAG, Urteil vom 02.03.2017, Az.: 2 AZR 546/17). Für die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ist darüber hinaus entscheidend, ob die zugrundeliegende Organisationsentscheidung die vorgeschlagene Änderung erzwingt oder ob sie im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen im Arbeitsvertrag des Gekündigten durchsetzbar bleibt (vgl. nur BAG, Urteil vom 18.05.2006, Az.: 2 AZR 207/05 Rz. 26).

Erheblicher Arbeitsausfall als dringendes betriebliches Erfordernis

Im Hinblick auf die betriebsbedingte Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit sei in Anknüpfung an die Wertung der §§ 95 ff. SGB III anzunehmen, dass in einem erheblichen Arbeitsausfall i.S.v. § 96 SGB III ein dringendes betriebliches Erfordernis liegt, welches eine Änderungskündigung rechtfertigt.

Vor dem Hintergrund dieser Verknüpfung zwischen den arbeitsrechtlichen und den sozialrechtlichen Regeln müsse nach Ansicht der Stuttgarter Richter auch eine entsprechende Auslegung des „dringenden betrieblichen Erfordernisses“ i.S.v. § 1, 2 KSchG vorgenommen werden. In einem erheblichen Arbeitsausfall i. S. v. § 96 SGB III könne hiernach ein dringendes betriebliches Erfordernis liegen, welches eine Änderungskündigung rechtfertigt.

Keine Verhinderung gesetzgeberisch gewollter Kurzarbeit durch lange Kündigungsfrist

Im Einzelfall kann der Ausspruch auch einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt sein, um den Zugang zum gesetzgeberisch gewollten Instrument Kurzarbeit und damit auch den Zugang zum Kurzarbeitergeld zu ermöglichen.

Besondere Vorgaben, Sonderkündigungsschutz und Mitbestimmungsrechte beachten

In jedem Fall sind auch bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit ggf. bestehende Vorgaben zu Sonderkündigungsschutz (z.B. nach dem MuSchG, BEEG, SGB IX etc.), Vorgaben des §§ 17 KSchG im Falle von sog. Massenentlassungen und – sofern entsprechend relevant – die Anhörungsrechte /ggf. Zustimmungserfordernisse) eines bestehenden Betriebsrates zu beachten.

Dr. Philipp Brügge

Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gründungspartner der Hamburger Sozietät münchow commandeur brügge. Er vertritt Privatpersonen sowie institutionelle Mandanten in allen Bereichen des Arbeitsrechts sowie des Arbeitsprozessrechts.

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