Internal Investigations – Kostenersatz für Compliance Untersuchung
BAG urteilt zum Ersatz der Kosten für die Ermittlungen bei Compliance-Verstößen eines Arbeitnehmers
Ein Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt hat und der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird.
Sofern ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers vorliegt, gehören auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Geschädigten zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden.
Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 11/21 zum Urteil vom 29. April 2021 – 8 AZR 276/20 –
Die Grenze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde. Die Regelung zur besonderen Kostentragungspflicht gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG steht nach Ansicht des BAG dieser Ersatzverpflichtung nicht entgegen.
In dem entschiedenen Fall ging es um die vom Arbeitgeber in einem Kündigungsrechtsstreit widerklagend zum Ersatz geltend gemachten Kosten für anwaltliche Ermittlungen zu Compliance-Verstößen, die dem Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigungen vorausgegangen waren.
Auslöser im entschiedenen Fall: Verdacht schwerer Compliance-Verstöße
Nachdem bei dem Arbeitgeber zunächst mehrere anonyme Verdachtsmeldungen wegen eventueller Compliance-Verstöße des Arbeitnehmers eingegangen waren, hatte der Arbeitgeber die Entscheidung getroffen, eine Untersuchung unter Einschaltung einer auf die Durchführung von Compliance-Ermittlungen spezialisierten Anwaltskanzlei durchzuführen. Die Kanzlei legte einen Untersuchungsbericht vor, nach dem der besagte Mitarbeiter u.a. auf Kosten des Arbeitgebers Personen ohne dienstliche Veranlassung zum Essen eingeladen sowie gegenüber dem Arbeitgeber Reisekosten für von ihm unternommene Fahrten zu Fußball-Spielen abgerechnet hatte. Wegen des ermittelten Verstoßes gegen das sog. Schmiergeldverbot, der Abrechnung privater Auslagen auf Kosten des Arbeitgebers sowie wegen mehrfachen Spesenbetrugs kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des betroffenen Mitarbeiters fristlos, hilfsweise ordentlich. Gegen die Kündigung hatte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben, die rechtskräftig abgewiesen wurde. Mit seiner Widerklage nahm der beklagte Arbeitgeber den Kläger auf Ersatz der ihm von der Anwaltskanzlei in Rechnung gestellten Ermittlungskosten in Anspruch und begründete dies damit, der Kläger habe diese Kosten nach den vom BAG für die Erstattung von Detektivkosten aufgestellten Grundsätzen zu ersetzen. Der Kläger ist der Auffassung, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe die Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen. Zudem habe die Beklagte die Erforderlichkeit der Kosten nicht dargetan.
Ermittlung nach Verdacht erheblicher Verstöße und Nachweis schwerwiegender vorsätzlicher Vertragspflichtverletzung
In dem konkreten Fall wies das BAG die Widerklage des Arbeitgebers zwar ab. Die Richterinnen stellten jedoch klar, dass ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt hat und der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird.
Auch zur Abwendung drohender Nachteile notwendige Aufwendungen
Sofern ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers vorliegt, gehören nach der Entscheidung des BAG auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Geschädigten zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden. Die Grenze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde.
Kostentragungsregelung nach § 12 a ArbGG steht nicht entgegen
Dem steht § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen, sondern auch einen materiellen Kostenerstattungsanspruch ausschließt, nicht entgegen. Diese Bestimmung findet in einem solchen Fall keine Anwendung.
Auwendungen sind nach Umfang und Inhalt substantiiert darzulegen
Dass das BAG in dem konkreten Fall die Widerklage dennoch abwies, begründeten die Richterinnen damit, dass der widerklagende Arbeitgeber nicht dargelegt habe, dass die von ihm geltend gemachten Kosten erforderlich waren. Insoweit fehle es an einer substantiierten Darlegung, welche konkreten Tätigkeiten bzw. Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts gegen den Kläger von der beauftragten Anwaltskanzlei ausgeführt
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 11/21 zum Urteil vom 29.04.2021
Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gründungspartner der Hamburger Sozietät münchow commandeur brügge. Er vertritt Privatpersonen sowie institutionelle Mandanten in allen Bereichen des Arbeitsrechts sowie des Arbeitsprozessrechts.