Besserer Unfallversicherungsschutz im Home Office
Mit dem am 17.06.2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt – Betriebsrätemodernisierungsgesetz – soll u.a. eine Stärkung der Ausgestaltung mobiler Arbeit erfolgen.
Betriebsrätemodernisierungsgesetz ergänzt u.a. im Bereich des Unfallversicherungsschutzes
Dabei erfährt u.a. mit Art. 5 des Gesetzes der Unfallversicherungsschutz eine im Hinblick auf eine stetig mobiler werdende Arbeitswelt wesentliche Ergänzung. Mit einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Bestimmungen zum Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) hat der Gesetzgeber auf Forderungen zur besseren Absicherung von Mitarbeiter:innen im Home Office bei der gesetzlichen Unfallversicherung reagiert.
Zwar bestand auch nach bisherigem Recht im Home Office und bei sonstiger mobiler Arbeit grundsätzlich gesetzlicher Unfallversicherungsschutz. Allerdings gestaltet sich die Abgrenzung zwischen versicherter und nicht versicherter Verrichtung bisweilen schwierig. Der Bereich ist durch eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen geprägt.
Bisher galt, dass ein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung im Home Office nur dann gegeben ist, wenn „der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb „Versicherter“ ist“, bzw. der Vorgang, bei dem es zum Unfall kommt, in einem sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit steht. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist hier nicht immer einheitlich.
Als „Arbeitsstätten“ im häuslichen Bereich waren nur solche Arbeitsräume zu qualifizieren, in denen Arbeitsplätze aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung innerhalb von Gebäuden dauerhaft eingerichtet und in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit regelmäßig tätig sind.
Anpassung zentraler Bestimmung zum Arbeitsunfall – Ort der Ausübung der versicherten Tätigkeit auf Home Office erweitert
Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist nunmehr eine Anpassung der zentralen Bestimmung zum Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) erfolgt.
§ 8 Abs. 1 SGB VII lautet nunmehr:
„Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz im gleichen Umfang wie bei der Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.“
Erweiterung des Versicherungsschutzes auch für Wegeunfälle
Auch hinsichtlich der Versicherungsabdeckung für Unfallschäden, die sich auf dem Weg von oder zur jeweiligen Tätigkeit ereignen, ist die Rechtsprechung rigide und bestehen meist erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Unterschiedlich gehandhabt wurden in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes Wege, die im eigenen Haushalt zurückgelegt werden, z.B. der Weg zur Nahrungsaufnahme oder der Gang zur Toilette und zurück.
Der Weg zur Kinderbetreuung
Zudem war es auch für das Zurücklegen eines versicherten Weges zur Kinderbetreuungsstätte entscheidend, dass der Ort des privaten Aufenthalts und der Ort der versicherten Tätigkeit, zwischen denen der Weg zurückgelegt wurde, räumlich auseinanderfallen (wobei hierfür auf die Dauer des Aufenthalts an dem sog. „dritten Ort“ abgestellt und gefordert wurde, dass der Aufenthalt dort mindestens zwei Stunden gedauert haben muss, um den von dem dritten Ort beginnenden Weg wieder unter den Schutz der Wegeunfallversicherung stellen zu können, Bundessozialgericht, Urteil vom 05.07.2016, B 2 U 16/14 R). Wer sein Kind also von zu Hause zur Kinderbetreuung brachte, um anschließend wieder ins Home Office zu fahren, unterfiel grundsätzlich nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (Bundessozialgericht Urteil vom 30.01.2020, B 2 U 19/18 R).
Anpassung zentraler Bestimmung zum Arbeitsunfall – Ort der Ausübung der versicherten Tätigkeit auf Home Office erweitert
Der Weg zwischen Home Office und KiTa
Mit § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII wurde nun eine Regelung in das Gesetz aufgenommen, welche den Unfallversicherungsschutz nunmehr auch auf Wege zwischen dem Home Office und einer Kinderbetreuungsstätte ausweitet.
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII soll nunmehr auch unfallversichert sein
„das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nr. 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird.“
Auch Wege am Ort der Arbeitsstätte und Wege im Home Office bzw. während der mobilen Arbeit an einem anderen Ort dürften damit absehbar eine andere – versicherungsfreundlichere – Bewertung erfahren.
§ 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII beschränkt sich in der Formulierung auf Home Office
Allerdings wird bei dieser Bestimmung nur der Ort des gemeinsamen Haushaltes – mithin das Home Office – genannt. Anders als § 8 Abs. 1 SGB VII spricht § 8 Abs. 2 Nr. 2a nicht von „einem anderen Ort“ der Tätigkeitsausübung.
Wie die Gerichte im Einzelfall die neuen gesetzlichen Bestimmungen anwenden werden, bleibt abzuwarten.
Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gründungspartner der Hamburger Sozietät münchow commandeur brügge. Er vertritt Privatpersonen sowie institutionelle Mandanten in allen Bereichen des Arbeitsrechts sowie des Arbeitsprozessrechts.