Fristlose Kündigung bei unbefugter und vorsätzlicher Löschung betrieblicher Daten

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Von Dr. Philipp Brügge

Fristlose Kündigung bei unbefugter und vorsätzlicher Löschung betrieblicher Daten

Das unbefugte, vorsätzliche Löschen betrieblicher Daten auf EDV-Anlagen des Arbeitgebers stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist grundsätzlich geeignet, eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

Entsprechende Fälle kommen in der Praxis immer wieder vor: Aus unterschiedlichen Gründen, oftmals im Zusammenhang mit bestandrechtlichen Auseinandersetzungen oder als Reaktion auf ein zuvor als ungerecht empfundenes Verhalten des Arbeitgebers, kommt es zu der Situation, dass Arbeitnehmer eigenmächtig Daten des Arbeitgebers löschen. Ein solches Vorgehen ist grob arbeitsvertragswidrig und kündigungsrelevant.

Nach vertragsrechtlichen Grundsätzen haben die Parteien eines Vertrages auf die Interessen der jeweils anderen Seite angemessen Rücksicht zu nehmen.

Die sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen. Arbeitnehmer sind verpflichtet, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann.

Es gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers, dass dieser seinem Arbeitgeber den Zugriff auf betriebliche Dateien nicht verwehrt oder gar durch Löschung unmöglich macht.

LAG Baden-Württemberg Urteil vom 17.9.2020, 17 Sa 8/20

Maßgeblich ist, dass das unbefugte und vorsätzliche Löschen von dem Arbeitgeber zustehenden Daten eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt.
Der Arbeitnehmer ist – wie ein Beauftragter – verpflichtet, dem Arbeitgeber alles, was ihm zur Ausführung der ihm übertragenen Arbeit zur Verfügung gestellt wurde und was er aus der Geschäftsbesorgung (d.h. in Ausführung seiner Tätigkeit bzw. im inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis) erlangt hat, auf Verlangen des Arbeitgebers an diesen herauszugeben. Diese auftragsrechtlichen Grundsätze gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch im Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 21.08.2014, Az. 8 AZR 655/13; BAG 14.12.2011, Az. 10 AZR 283/10).

Geschäftsbezogene Daten gehören dem Arbeitgeber

Dabei gilt: Zur Ausführung der übertragenen Arbeit erhalten hat der Arbeitnehmer alles, was ihm zum Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist (Arbeitsmittel). Aus dem Arbeitsverhältnis erlangt ist jeder Vorteil, den der Arbeitnehmer aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis erhalten hat.

Hierzu gehören Unterlagen, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber bzw. dessen Repräsentanten zur Verfügung gestellt worden sind, und solche, die er während des Arbeitsverhältnisses, beispielsweise durch einen Schriftverkehr mit Dritten, erlangt hat.

Grundsätzlich stehen sämtliche Dateien in sämtlichen Stadien, d.h. auch Entwurfsfassungen oder Vorkorrespondenzen dem Arbeitgeber zu.

Umfasst sind auch die vom Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber selbst angelegten Akten, sonstige Unterlagen und Dateien. Ausgenommen sind lediglich private Aufzeichnungen (vgl. BAG 21.08.2014, Az. 8 AZR 655/13; BAG 14.12.2011, Az. 10 AZR 283/10; BAG 24.11.1960, Az. 5 AZR 261/60).

Wenn ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eigenmächtig den Zugriff auf solche Daten entzieht oder diese löscht, verstößt er derart gegen die selbstverständlichen Nebenpflichten eines jeden Arbeitnehmers, die Interessen des Arbeitgebers als seines Vertragspartners zu berücksichtigen, dass ein solches Verhalten in aller Regel zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt und die Fortsetzung bis zum Ende der Kündigungsfrist unzumutbar ist (LAG Baden-Württemberg 17.09.2020, Az. 17 Sa 8/20; LAG Hamburg 24.02.2015, Az. 2 TaBV 10/14; LAG Hessen 05.08.2013, Az. 7 Sa 1060/10).

Abmahnung ist in einem slchen Fall entbehrlich

Einer Abmahnung bedarf es in einem solchen Fall in der Regel nicht, da ein verständiger Arbeitnehmer grundsätzlich davon ausgehen muss, dass sein Arbeitgeber das unbefugte Löschen von geschäftlichen Daten nicht hinnehmen wird.

Mögliche strafrechtliche Relevanz ist kündigungsrechtlich nicht entscheidend

Ob das Löschen von Daten (z.B. geschäftlicher Korrespondenz oder Programmen) des Arbeitgebers durch einen Arbeitnehmer über die Vertragswidrigkeit hinaus ggf. auch von strafrechtlicher Relevanz ist, ist dabei nicht entscheidend (durch das Löschen von Daten mag eine Strafbarkeit nach § 303a oder nach § 303b Strafgesetzbuch (StGB) in Betracht kommen, vgl. dazu: OLG Nürnberg 23.01.2013, Az.1 Ws 445/12).
Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob und mit welchem Aufwand ein Teil der vom Arbeitnehmer gelöschten Daten wiederhergestellt werden kann. Ebenso wenig ist entscheidend, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber diese Daten für den weiteren Geschäftsbetrieb tatsächlich benötigt.

Dr. Philipp Brügge

Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gründungspartner der Hamburger Sozietät münchow commandeur brügge. Er vertritt Privatpersonen sowie institutionelle Mandanten in allen Bereichen des Arbeitsrechts sowie des Arbeitsprozessrechts.