Crowdworking – Vereinbarung zwischen Plattformbetreiber und Crowdworker kann Arbeitsvertrag sein

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Von Dr. Philipp Brügge

Crowdworking – Vereinbarung zwischen Plattformbetreiber und Crowdworker kann Arbeitsvertrag sein

Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern

Crowdsourcing bezeichnet die Auslagerung von Teil- bzw. Kleinstaufträgen (sog. Mikrojobs) eines Unternehmens an eine Gruppe freiwilliger Nutzerinnen – die sog. Crowdworker. Die Bezeichnung ist an den Begriff des Outsourcings angelehnt, welcher die Auslagerung von Aufgaben und Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens auf Dritte zum Gegenstand hat. Meist erfolgt die Vermittlung der entsprechenden Aufträge über eine Internetplattform (Crowdsourcing-Plattform).

Crowdworker können Arbeitnehmer sein

Hintergrund dieser Vorgehensweise ist meist der Wunsch vieler Unternehmen, bestimmte Aufgaben eben nicht mehr durch eigene Arbeitnehmerinnen ausführen lassen zu wollen, um hiermit verbundene Personalkosten und Organisationsaufwand einzusparen. In der Vielzahl der Fälle sollen die schließlich die vergebenen Mikrojobs ausführenden Crowdworker auf selbständiger Basis – als Freelancer – tätig sein. Dies mag auf den ersten Blick für Unternehmen und auch für die Plattformbetreiber durchaus lukrativ sein.

Vorausgesetzt, es handelt sich bei den Crowdworkern tatsächlich um Selbständige, die nicht den Vorgaben des Arbeitsrechts, z.B. in den Bereichen des Arbeitsschutzes, des Arbeitszeitrechts sowie der Vergütung, und ganz wesentlich auch nicht den Beschränkungen des Rechts der Sozialversicherung unterfallen.

Zu der Frage der Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern hat sich nunmehr jüngst das Bundesarbeitsgericht (BAG) geäußert. Nachdem die Vorinstanzen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses verneint und die Klage eines Crowdworkers abgewiesen hatten, hob das BAG das Berufungsurteil teilweise auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung an die Vorinstanz zurück. Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Vereinbarung zwischen Plattformbetreiber und Crowdworker als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren war.
Grundsätzlich kommt es für die Bewertung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses darauf an, ob weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet wird.

Das Gesetz definiert hier in § 611a Abs. 1 BGB wie folgt:

„Durch den Arbeitsvertrag wird ein Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab“.

Arbeitsverhältnis, wenn Fremdbestimmung hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit

Die insoweit vom Gesetz verlangte Gesamtwürdigung aller Umstände kann ergeben, dass Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen sind.
Für ein Arbeitsverhältnis spricht es, wenn der Plattformbetreiber (Crowdsourcer) die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform in einer Art und Weise steuert, die es dem Crowdworker nicht ermöglich, seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt frei zu gestalten. In diesem Fall spricht viel für eine persönliche Weisungsgebundenheit und damit für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit allen sich daran anknüpfenden Konsequenzen.

BAG sieht persönliche Abhängigkeit der Crowdworker aufgrund der Organisationstruktur der Plattform

Im konkreten Fall waren die Crowdworker zwar nach den Formulierungen der Rahmenvereinbarung vertraglich nicht zur Annahme der ihnen von dem Betreiber der Online-Plattform vermittelten Angeboten verpflichtet. Allerdings sah die Organisationsstruktur der Plattform vor, dass die über ihren jeweiligen Account angemeldeten Nutzer nach einem Bewertungssystem jeweils kontinuierlich vertraglich vorgegebene Kleinstaufträge (Mikrojobs) annehmen sollten, um diese persönlich zu erledigen. Abhängig von der Anzahl durchgeführter Aufträge konnte sodann ein bestimmtes Level im Bewertungssystem erreicht werden, die es den Nutzern der Online-Plattform ermöglichte, mehrere Aufträge anzunehmen, um diese azu erledigen und damit eine höhere Vergütungzu erzielen.

Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Im Falle des sog. Crowdsourcing und im Hinblick auf die Bewertung der Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern kommt es insoweit auch entscheidend auf die Organisationsstruktur der jeweiligen Plattform an.


Quelle: Pressemitteilung BAG Nr. 43 vom 01.12.2020 zum Urteil des BAG vom 01.12.2020, Az. 9 AZR 102/20,

Dr. Philipp Brügge

Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gründungspartner der Hamburger Sozietät münchow commandeur brügge. Er vertritt Privatpersonen sowie institutionelle Mandanten in allen Bereichen des Arbeitsrechts sowie des Arbeitsprozessrechts.