Corona Virus – Handlungsbedarf

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Von Dr. Philipp Brügge
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Corona Virus – Handlungsbedarf

Das sogenannte Corona-Virus (auch SARS-CoV-2 / COVID 19 genannt) beherrscht mittlerweile das öffentliche Leben und den Arbeitsalltag. In den Nachrichten beherrschen die „Liveticker“ das Informationsgeschehen.

Erst jüngst hat die Bundesregierung auf Basis einer entsprechenden Vereinbarung mit den Bundesländern Leitlinien zum Kampf gegen die Corona-Epidemie erlassen.

Mit einer sich derzeit dynamisch entwickelnden Anzahl von bekannt werdenden Infektionsfällen, der Unter-Quarantäne-Stellung ganzer Gruppen von Personen, der Absage von Großveranstaltungen wie z.B. diversen Messen, der Schließung von Schulen oder Kindergärten bestimmt das sog. Corona-Virus mittlerweile erheblich das soziale Leben und hat unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer stellen sich aus gegebenem Anlass Fragen nach dem richtigen Umgang mit der Situation. Oberste Priorität bei sämtlichen Beteiligten sollte es haben, das derzeit sich entwickelnde Infektionsgeschehen bestmöglich einzudämmen und zu verlangsamen.

Da sich die Situation sehr dynamisch entwickelt und insbesondere auch die Behörden in täglicher Beobachtung auf das Geschehen und die Auswirkungen auf das sozialee Leben und die Wirtschaft reagieren, sind auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gut beraten, sich diesbezüglich auf dem Laufenden zu halten. Für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer stellen sich täglich neue Fragen nach den Möglichkeiten, den Arbeitsalltag auf die neue Situation anzupassen. Viele Unternehmen greifen derzeit vermehrt dazu, ihre MitarbeiterInnen im Home-Office einzusetzen oder mobiles Arbeiten zu ermöglichen, um das Risiko einer Infektion oder Infektionsverbreitung am Arbeitsplatz zu reduzieren.

Arbeitgeber: Eigeninformation und Information der MitarbeiterInnen

Arbeitgeber sind dieser Tage gut beraten, sich über das Infektionsgeschehen und seine Entwicklung aktiv auf dem Laufenden zu halten. Für Sie gilt eine besondere Informationspflicht. Dies gilt schon im Interesse einer besicherten Planung des Geschäftsbetriebes und einer bestmöglichen Absicherung gegen (weitere) krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern.

Fürsorgepflicht: Pflicht zur Information und Prävention

Im Arbeitsverhältnis besteht die Pflicht, auf die Interessen und berechtigten Belange der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Diese allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen und Belange ist als solche in § 241 Abs. 2 BGB normiert. Diese Pflicht gilt für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer gleichermaßen. Daneben sieht der Gesetzgeber für Arbeitgeber eine besondere Fürsorgepflicht vor, die in § 618 Abs. 1 BGB normiert ist. Hiernach hat der Arbeitgeber [Dienstberechtigte] „Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet“.

Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Organisations- und Fürsorgepflicht nicht nur gehalten, die Arbeitsräume und Arbeitsgeräte in zumutbarem Rahmen gesundheitsverträglich zu gestalten. Er muss aufgrund seiner Schutzpflicht gegenüber seinen Mitarbeitern in zumutbarem Rahmen auch dafür Sorge tragen, dass die Arbeitnehmer des Betriebs gegen von anderen Mitarbeitern ausgehende oder doch ernsthaft zu besorgende Gefahren für Leib und Gesundheit geschützt werden. Der Verpflichtung des Arbeitgebers steht korrespondierend ein Anspruch der Arbeitnehmer auf eine Beurteilung der mit ihrer Beschäftigung verbundenen Gefährdungen gegenüber; dieser ergibt sich aus §  5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) i.V.m. § 618 Abs. 1 BGB.

Pro-aktive Information über ggf. erhöhte Infektionsrisiken, insbesondere Urlaubsrückkehrer

Gerade in Hamburg kommt es aufgrund der erst gerade zu Ende gegangenen Skiferien zu der Situation, dass MitarbeiterInnen aus sog. Risikogebieten oder als von dem Corona-Geschehen besonders betroffenen Gebieten zurückgekehrt sind.

Für diese Urlaubsrückkehrer empfehlen die Gesundheitsbehörden dringend, dass sich Rückkehrerinnen und Rückkehrer von einem Aufenthalt in einer vom Robert Koch-Institut als Risikogebiet eingestuften Region grundsätzlich nach Reiserückkehr 14 Tage in eine freiwillige häusliche Isolation begeben. ArbeitnehmerInnen, die aus den benannten Risikogebieten des RKI zurückkehren, wird grundsätzlich empfohlen, vor Dienstantritt mit ihrem Arbeitgeber Kontakt aufzunehmen und etwaige Schritte abzusprechen (Quelle: Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg).

Im Kontext der aktuellen Entwicklungen des „Virus-Geschehens“ können sich ganz konkrete Handlungspflichten für Arbeitgeber ergeben.

Bestehen Hinweise auf infektionsbedingte Erkrankungen im Betrieb oder bestimmte Risikofaktoren für den Eintrag von Infektionen in den Betrieb, bestehen ganz konkrete Handlungspflichten für Arbeitgeber.

Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält Arbeitgeber für verpflichtet, ihre ArbeitnehmerInnen über ein erhöhtes Infektionsrisiko zu informieren, wenn ein solches besteht. Die Kausalität zwischen Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber und Gesundheitsverletzung des Arbeitnehmers ist zu vermuten.

Ausgangspunkt ist dabei die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht, die den Arbeitgeber insbesondere zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeiter/innen verpflichtet. Diese Pflicht intensiviert sich naturgemäß in (Arbeits)Bereichen, in denen vermehrt Kundenkontakt besteht bzw. Mitarbeiter/innen im Laufe ihrer Tätigkeit vermehrt mit anderen Personen in Kontakt kommen und damit auch Risiken einer Infektion bzw. einer Verbreitung von Infektionen steigen.

Foto: Curology von Unsplash

Grundsätzlich ist Arbeitgebern auch unter dem Gesichtspunkt einer hinreichenden Organisation des Arbeitsschutzes zu empfehlen, vorsorglich ihre Mitarbeiter/innen über Empfehlungen zur Hygiene und Infektionsprophylaxe zu informieren, z.B. durch Aushänge in Wasch- und Sanitärraumen oder Mailings im Intranet etc.

Robert Koch-Institut (RKI): Zentrale Einrichtung zur Krankheitsüberwachung und -prävention

Informationen zum Thema Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen können z.B. über die Website des Robert Koch-Instituts (RKI) abgerufen werden.

Das Robert Koch-Institut hat im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IFSG) die Aufgabe, Konzeptionen zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen zu entwickeln. Dies schließt die Entwicklung und Durchführung epidemiologischer und laborgestützter Analysen sowie Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten ein. Auf dem Gebiet der Zoonosen und mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftungen sind das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das Bundesinstitut für Risikobewertung und das Friedrich-Loeffler-Institut zu beteiligen. Auf Ersuchen der zuständigen obersten Landesgesundheitsbehörde kann das Robert Koch-Institut den zuständigen Stellen bei Maßnahmen zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von schwerwiegenden übertragbaren Krankheiten, auf Ersuchen mehrerer zuständiger oberster Landesgesundheitsbehörden auch länderübergreifend, Amtshilfe leisten. Es arbeitet mit den jeweils zuständigen Bundesbehörden, den zuständigen Landesbehörden, den nationalen Referenzzentren, weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen und Fachgesellschaften zusammen.

Weitere Informationen und mögliches Infomaterial stellt auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Verfügung.

Gegebenenfalls Bereitstellung bzw. Duldung gesteigerten Eigenschutzes von Mitarbeiter/innen

Allerdings stellt sich unabhängig davon, ob Beschäftigte ggf. selbst zu Mitteln wie Mundschutz oder Schutzhandschuhen greifen, für Arbeitgeber die Frage, ob sie ggf. sogar verpflichtet sein könnten, ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen entsprechende Schutz- und Hygieneausstattungen zur Verfügung zu stellen, um diese (bestmöglich) vor Infektionen zu schützen oder eine Verbreitung von Infektionen im Betrieb, nicht zuletzt zum Schutz anderer Mitarbeiter/innen zu vermeiden.

Der Arbeitgeber muss Vorsichtsmaßnahmen (Bereitstellung von Desinfektionsmitteln u.ä.) ergreifen und auch vom Arbeitnehmer eigenständig ergriffene Maßnahmen dulden.

Schon unter arbeitsschutzrechtlichen Erwägungen sind die Risiken von Infektionen bzw. einer Verbreitung von Infektionen im Betrieb, d.h. das Risiko einer Betroffenheit auch weiterer MitarbeiterInnen, durch den Arbeitgeber zu bewerten. Besteht die Kenntnis von der Erkrankung eines Mitarbeiters oder bestehen konkrete Hinweise auf Infektionsrisiken im Betrieb, folgt nicht zuletzt daraus eine Pflicht des Arbeitgebers zur Information sowie zur Prävention.

Unterlässt der Arbeitgeber dann eine aus der Fürsorgepflicht herzuleitende Aufklärung, kann er sich schadensersatzpflichtig machen, wenn andere Mitarbeiter deswegen erkranken. Die Haftungsrisiken sind nicht zu unterschätzen. Zumal die Kausalität zwischen der unterlassenen Aufklärung als Verletzung der Fürsorgepflicht und der Erkrankung als eingetretener Gesundheitsverletzung in diesem Fall vermutet wird. Die Darlegungs- und Beweislast einer dahingehenden Rechtsgutverletzung in Form einer Verletzung der Fürsorgepflicht wird insoweit sogar noch erleichtert (BAG, NJW-Spezial 2007, 180).

Können Mitarbeiter/innen verpflichtet werden, einen Mundschutz tragen oder auf Händeschütteln zu verzichten?

Das Arbeitsgericht Berlin hätte ihn (fast) zu entscheiden gehabt – den ersten (arbeitsrechtlichen) Corona-Fall. Hintergrund war die zunächst von einem Arbeitgeber ergangene Anweisung an die Mitarbeiter, während der Arbeitszeit keinen Mundschutz bzw. Schutzhandschuhe zu tragen. Hiergegen war der Betriebsrat vorgegangen, da er eine Umgehung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) beanstandete. Der Fall musste nicht entschieden werden, da der Arbeitgeber den Mitarbeiter/innen schließlich selbst die Entscheidung überließ, ob sie präventiven Infektionsschutz wie z.B. Mundschutz tragen oder nicht. Der Rechtsstreit brauchte insoweit nicht entschieden werden.

Sind Gesundheitsrisiken bekannt, muss der Arbeitgeber für eine präventive Ausstattung des Arbeitsplatzes bzw. seiner Mitarbeiter/innen sorgen.

Sind Gesundheitsrisiken bekannt, muss der Arbeitgeber für eine präventive Ausstattung des Arbeitsplatzes bzw. seiner Mitarbeiter/innen sorgen. Dies umfasst ggf. die Zurverfügungstellung von Schutzkleidung und Schutzmitteln. Eine hinreichende Ausstattung des Arbeitsplatzes unter arbeitsschutzgesetzlichen Vorgaben ist ohnehin das Maß der Dinge.

Im Einzelfall kann insoweit ein Arbeitgeber zu Präventionszwecken berechtigt sind, das Tragen eines Mundschutzes im Betrieb anzuordnen und unmittelbaren Kontakt zwischen Mitarbeitern untersagen (z.B. Vorgaben für Vermeiden der Begrüßung durch Händeschütteln, Umarmung etc. zur Minimierung einer Infektionsübertragung). In betriebsratsmitbestimmten Betrieben sind Arbeitgeber im Kontext der Vorgaben zur Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§87 BetrVG) gut beraten, den Betriebsrat entsprechend der mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben einzubinden. Halten sich einzelne Mitarbeiter/innen nicht an wirksame Anordnungen und Verbote des Arbeitgebers, die dieser zum Infektions- und Gesundheitsschutz trifft, kann hieraus eine Berechtigung zur Abmahnung oder im fortgesetzten Fall ggf. zu weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen bestehen.

Recht zur Freistellung bei Infektionsverdacht?

Besteht bei einem Arbeitnehmer der Verdacht einer Infektion oder Erkrankung, wird der Arbeitgeber ein starkes Interesse daran haben, diesen Arbeitnehmer kurzzeitig aus dem Betrieb zu entfernen, um die übrige Belegschaft zu schützen. Es dürfte daher im Regelfall eine Berechtigung des Arbeitgebers bestehen, den Arbeitnehmer unter Berücksichtigung eines insoweit übersteigenden Suspendierungsinteresses einseitig von der Arbeitspflicht freistellen. Der betroffene Arbeitnehmer hätte in einem solchen Falle einer berechtigten Freistellung keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Allerdings ist der Arbeitgeber unverändert zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Sollte der betroffene Mitarbeiter tatsächlich erkranken bzw. erkrankt sein, erübrigt sich eine Freistellung ohnehin, da eine solche die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraussetzt. Im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit greifen dann wieder die Regeln der Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltforztahlungsgesetz (EFZG); unter Berücksichtigung ggf. bestehender arbeitsvertraglicher oder tarifvertraglicher Besonderheiten.

In akuten Verdachtsfällen kann der Arbeitgeber auch berechtigt sein, den Arbeitnehmer aufzufordern, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, um gesundheitliche Risiken für sich und andere, die aus einer Fortsetzung der Tätigkeit bzw. einem Verbleib am Arbeitsplatz erwachsen könnten, auszuschließen.

Ungeachtet dessen, bleibt es den Arbeitsvertragsparteien selbstverständlich unbenommen, zur Vermeidung von Auseinandersetzungen über die Frage des Bestehens einer Arbeitsfähigkeit, respektive zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken einvernehmliche eine Freistellung des/der Mitarbeiters/in zu vereinbaren.

Zur Vermeidung späterer Streitigkeiten über Rechtmäßigkeit und Unrechtmäßigkeit von Freistellungen sollten diese im besten Fall stets in Abstimmung der Parteien untereinander im Einzelfall vereinbart werden.

Für Arbeitnehmer stellt sich dieser Tage vor allem die Frage, ob sie trotz des um sich greifenden Infektionsgeschehens weiterhin zur Arbeit erscheinen müssen oder ob sich aufgrund dieses Geschehens für sie besondere Ansprüche, z.B. nach einer Erbringung der Arbeitsleistung von zu Hause aus, bestenfalls vom Home-Office, ergeben.

Seit 23.03.2020: Befristet erleichterte Möglichkeit der Krankschreibung bis zu 14 Tagen

Bereits zum 09.03.2020 hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband vor dem Hintergrund des Corona-Geschehens eine besondere Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung geschaffen und diese zunächst für die Dauer von sieben Tagen vorgesehen.

Zum 23.03.2020 haben die KBV und der GKV-Spitzenverband diese Regelung noch einmal erweitert.

Ab sofort und bis 23.06.2020 möglich: Telefonische AU bis zu 14 Tage. Auch bei Corona-Verdacht.

Vertragsärzte dürfen Patienten ab sofort bis zu 14 Tage am Telefon krankschreiben. Voraussetzung ist, dass es sich um eine leichte Erkrankung der oberen Atemwege handelt.

Als weitere Erleicheterung der telefonischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde auch aufgenommen, dass unter die Regelung auch Patienten fallen, bei denen ein Infektionsverdacht besteht.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben sich in Anbetracht des grassierenden Infektionsgeschehens auf eine weitere Erleichterung der Krankschreibung von Arbeitnehmer/innen bei Verdacht einer Infektion oder bei leichten Erkrankungen der oben Atemwege verständigt. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer/innen nach den Vorgaben des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) nach drei Krankheitstagen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorlegen.

Um das Risiko zu verringern, dass Arbeitnehmer/innen beim Arztbesuch wiederum andere Wartende oder ggf. das ärztliche Personal anstecken, haben sich in Anbetracht der wachsenden Zahl an Corona-Infektionen die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband darauf verständigt, dass Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege (d.h. in Fällen leichter Symptomatik oder Erfüllung der RKI-Kriterien für einen Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion) oder auch bei Bestehen eines Verdachts einer Corona-Infektion auch nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für eine Dauer bis nunmher maximal 14 Tage ausgestellt bekommen können. Die Regelung zur telefonischen AU ist bis zum 23. Juni befristet. (Pressemitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung).

Kein allgemeines Arbeitsverweigerungsrecht wegen des Corona-Geschehens

Viele Arbeitnehmer/innen sind aufgrund nicht zuletzt der medialen Aufarbeitung des Corona-Geschehens verunsichert, ob sie ggf. auch zum Eigenschutz die Arbeit verweigern können. Hier kommt des Öfteren die Frage auf, ob ggf. aufgrund des allgemeinen Infektionsgeschehens eine Berechtigung von Arbeitnehmern/innen besteht, die Arbeit zu verweigern.

Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht für Arbeitnehmer besteht nicht. Vielmehr ist im konkreten Fall (z.B. im Falle von Dienstreisen in sog Risikogebiete) die Arbeitspflicht zu prüfen. Gleiches gilt für die Frage, ob die Arbeitsleistung ggf. von Zuhause, d.h. vom Home-Office aus erbracht werden kann. Grundsätzlich besteht kein einseiger Anspruch auf eine Tätigkeit in sog. Telearbeit. Diese ist grundsätzlich zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu vereinbaren. Ggf. sehen Betriebsvereinbarungen dahingehende Rahmenbestimmungen vor, die einen Anspruch der Mitarbeiter beinhalten.

Für viele berufstätige Eltern stellt sich zudem die Frage, wie sie sich verhalten sollen, wenn aufgrund z.B. behördlicher Anordnung die Schule oder der Kindergarten (KiTa) geschlossen wird und die an sich arbeitstägliche Kinderbetreuung wegfällt. Ist im Falle der Schließung der Schule oder der KiTa unter Berücksichtigung des Alters der Kinder eine Betreuung erforderlich, ist es zunächst jedoch die Sache der Eltern selbst, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um die Kinderbetreuung anderweitig zu gewährleisten. Ist dies nicht möglich (und die Frage der Betreuung durch Großeltern o.ä. wird in Anbetracht des aktuellen Infektionsgeschehens ebenfalls durchaus kritisch hinterfragt, da insbesondere ältere Menschen augenscheinlich durch das Corona-Virus überdurchschnittlich gefährdet sind), mag hierin ein Fall der sog. vorübergehenden Verhinderung für einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum gemäß § 616 BGB liegen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein solches „Leistungsverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen“ grundsätzlich nur unter sehr engen Voraussetzungen besteht. Darüber hinaus kann dieses arbeitsvertraglich abbedungen sein. Arbeitnehmern ist zu empfehlen, sich nochmals im Hinblick auf die konkreten Vereinbarungen ihres Arbeitsvertrages zu infoirmieren, bevor sie ggf. gegenüber ihrem Arbeitgeber dahingehende Forderungen stellen.

Grundsätzlich empfiehlt es sich ohnehin für beide Arbeitsvertragsparteien, in Verhinderungsfällen im Einzelfall interessengerechte Regelungen einvernehmlich abzustimmen.

Problem: Entsendung und Dienstreisen in sog. Risikogebiete

Insbesondere für Mitarbeiter, die für ihren Arbeitgeber dienstliche Reisen, zumal ins Ausland zu unternehmen haben, stellt sich dieser Tage in besonderem Maße die Frage, ob sie dahingehende Reisen antreten sollen bzw. müssen.

Hier ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Weisung, eine Reise zu einem bestimmten Termin in ein bestimmtes Zielgebiet zu unternehmen, noch wirksam vom Arbeitsvertrag gedeckt ist bzw. ob eine dahingehende Weisung bzw. Anordnung des Arbeitgebers insoweit dem Maßstab billigen Ermessens entspricht. Hier wird es maßgeblich auf die jeweilige Destination und den geplanten Zeitraum der Reise ankommen.

Selbst wenn der Arbeitsvertrag eine Reisetätigkeit als Teil der Arbeitsleistung vorsieht, ist zu prüfen, ob eine dahingehende Weisung nach § 106 Gewerbeordnung dem Maßstab „billigen Ermessens“ entspricht. Die Anordnung einer Dienstreise in die Region, für die eine Reisewarnung besteht, entspricht nicht billigem Ermessen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Grenze der Billigkeit, die eine umfassende Abwägung der wechselseitigen Interessen erfordert, obliegt dem Arbeitgeber als Bestimmungsberechtigten. Eine unbillige Weisung ist unverbindlich (vgl. auch § 315 Absatz III 1 BGB). Es obliegt insoweit dem Arbeitgeber, die Billigkeit seiner Weisung vorab zu prüfen.

Handelt es sich um Reisen in Gebiete, für die eine ausdrückliche Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt, dürfte eine Verpflichtung zum Antritt der Reise im Regelfall nicht bestehen. Eine Übersicht über internationale und nationale sog. Risikogebiete findet sich auf der Website des Robert-Koch-Institutes (RKI).

Auch einer Entsendung in bestimmte Region werden ArbeitnehmerInnen dann widersprechen können, wenn für diese Region eine ausdrückliche Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt.

Informationen für Reisende des Auswärtigen Amtes.

Da eine unbillige Weisung des Arbeitgebers zu Antritt und Durchführung einer Reise (Dienstreise) unverbindlich ist, kann ein/e Arbeitnehmer/in die Reise verweigern, ohne dass er/sie arbeitsrechtliche Sanktionen befürchten muss.

Befristete Freistellung rückkehrender Mitarbeiter/innen aus Risikogebieten

Auch im Fall von Mitarbeiter/innen, die aus sog. Risikogebieten zurückkehren, treffen Arbeitgeber besondere Informations- und Handlungspflichten. In diesem Zusammenhang sind ggf. auch behördlich Anordnungen bzgl. der Inquarantänestellung zu beachten.

Informationen bezüglich der Rückkehr aus sog. Risikogebieten finden sich auch auf der Website des Bundesinnenministeriums:

Aktuelle Informationen zur Risikobewertung zum SARS-CoV2-Virus (sog. Corona-Virus) finden sich auch auf der Website des Robert-Koch-Institutes.

Grundsätzlich sind Arbeitgeber im Falle von zurückkehrenden Mitarbeiter/innen aus Risikogebieten verpflichtet, die übrigen Arbeitnehmer/innen im Betrieb zu informieren bzw. die zurückkehrenden Arbeitnehmer/innen für eine hinreichende Zeit freizustellen, um eine etwaige Ansteckungen anderer Personen bzw. eine daraus resultierenden weiteres Infektionsrisiko auszuschließen. Dabei werden sich Arbeitgeber jedenfalls an den Empfehlungen zur Dauer der sog. Inkubationszeit (d.h. der Dauer, in der Infizierte ggf. noch keine Symptome zeigen) zu orientieren haben.

Derzeit wird davon ausgegangen, dass die Inkubationszeit bis zu 14 Tage betragen kann, im Durchschnitt beträgt sie der WHO zufolge 5 bis 6 Tage (Quelle: Robert-Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2)

Freistellung von Urlaubsrückkehrern aus Risikogebieten

Die Frage der befristeten Freistellung von Mitarbeitern/innen stellt sich neben den Rückkehrern von Dienstreisen/Auslandseinsätzen oder Entsendungen selbstverständlich ebenso für Mitarbeiter/innen, die ihren Urlaub ggf. in einem sog. Risikogebiet verbracht haben. So wie einige Bundesländer mittlerweile Vorgaben für die befristete häusliche Isolation von Besuchern öffentlicher Betreuungseinrichtungen / Schulen etc. verfügt haben, um die Ausbreitung des Infektionsgeschehens bestmöglich einzudämmen, sind auch Arbeitgeber gehalten, das Risiko aus dem Urlaub heimkehrender Mitarbeiter/innen zu bewerten und ggf. entsprechende Präventionsmaßnahmen umzusetzen.

Erforderlichenfalls sind auch diese Mitarbeiter/innen jedenfalls für die sog. Inkubationsdauer von der Arbeitspflicht freistellen oder es ist mit diesen die Erbringung der Arbeitsleistung von zuhause aus (im Home-Office bzw. per Telearbeit) zu vereinbaren.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn es für die Urlaubsregion des/der Mitarbeiters/in eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gab oder es sich um eine offiziell als sog, Risikogebiet eingestufte Region handelt.

Insoweit ist Arbeitgebern ggf. zu empfehlen, sich hinreichend rechtzeitig vor Rückkehr der betreffenden Mitarbeiter/innen mit diesen (telefonisch oder per E-Mail) in Verbindung zu setzen, um zu klären, ob der/die Mitarbeiter/in ggf. Rückkehrer aus einem sog. Risikogebiet ist, um entsprechende vorbereitende Maßnahmen (Vorbereitung Freistellung, technische Vorbereitung auf Home-Office, Information Kollegenkreis etc.) treffen zu können. Dem Arbeitgeber dürfte insoweit unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht und Interesse der Sicherheit und arbeitsschutzrechtlichen Organisationsverpflichtung ein entsprechendes Fragerecht (ob der/die Mitarbeiter/in sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat) zustehen. Ggf. ist der Betriebsrat miteinzubinden.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Werden von Dienstreisen aus Risikogebieten zurückkehrende Mitarbeiter oder Urlaubsrückkehrer zum Zwecke des Infektionsschutzes und der Gesundheit im Betrieb freigestellt, bleibt die Pflicht zur Fortzahlung der geschuldeten Vergütung selbstverständlich bestehen.

Im Krankheitsfall (z.B. bei einer sich bestätigenden Infektion) gelten regulär die Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) hat jeder Arbeitnehmer einen gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch bei Erkrankungen für die Dauer von sechs Wochen. Teilweise sind diese Zeiträume arbeits- oder tarifvertraglich länger. Voraussetzung für die Entgeltfortzahlung ist, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung und damit für den Verlust des Entgeltanspruchs ist.

Seit dem 09.03.2020 gilt aufgrund des Corona-Geschehens eine besondere Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben sich in Anbetracht des grassierenden Infektionsgeschehens auf eine Erleichterung der Krankschreibung von Arbeitnehmer/innen bei Verdacht einer Infektion oder bei leichten Erkrankungen der oben Atemwege verständigt. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer/innen nach den Vorgaben des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) nach drei Krankheitstagen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorlegen.

Quarantäne! Was soll ich jetzt tun? – Behördliche Maßnahmen und ihre Folgen

Sind bereits Infektionen bei Mitarbeitern/innen in einem Betrieb aufgetreten oder nachgewiesen worden bzw. wurde ein Infektionsgeschehen in einen Betrieb eingetragen, kann es im Extremfall auch dazu kommen, dass ein Betrieb behördenseitig geschlossen wird. Die Rechtsgrundlagen für dahingehende weitreichende Maßnahmen beinhaltet das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG).

Im Fall einer ausgebrochenen Pandemie können die zuständigen Behörden Maßnahmen zur Bekämpfung der übertragbaren Krankheit treffen, die für den einzelnen Arbeitnehmer mit weitreichenden Einschnitten verbunden sind. Erkrankte Personen können beispielsweise unter Beobachtung oder gar Quarantäne gestellt, das Grundrecht auf persönliche Freiheit insoweit eingeschränkt werden (§§ 29, 30 Infektionsschutzgesetz – IFSG).

Die Behörde kann zudem ein berufliches Tätigkeitsverbot nach § 31 IFSG aussprechen:

„Die zuständige Behörde kann Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Satz 1 gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht“.

Tritt ein solcher Extremfall ein, sind Fristen zu beachten!

Das Gesetz sieht in § 56 Abs. 1 IFSG einen Entschädigungsanspruch der Person vor, die als Träger von Krankheitserregern von der Maßnahme betroffen ist.

Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können.

Die Entschädigung bemisst sich in den ersten sechs Wochen nach dem Verdienstausfall (Nettoentgelt), anschließend nach dem Krankengeld. Ist diese Person Arbeitnehmer, so hat nach § 56 Abs. 5 IFSG nicht die Behörde die Entschädigung in Geld zu leisten, sondern der Arbeitgeber.

Die Entschädigungsleistung durch den Arbeitgeber ist auf maximal sechs Wochen begrenzt. Der Arbeitgeber, der für diese Zeit eine Entschädigung leistet, ohne dafür eine Arbeitsleistung zu erhalten, kann bei der zuständigen Behörde innerhalb von drei Monaten nachträglich Erstattung der geleisteten Beträge beantragen.

Der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers besteht nicht, wenn er keinen Entgeltausfall erleidet. Ist also der Arbeitgeber auf Grund individualvertraglicher, kollektiver oder gesetzlicher Rechtsgrundlage zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, erhält der Arbeitnehmer keine Entschädigung von der Behörde. Folgerichtig besteht auch kein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen die Behörde.

Behördlich angeordnetes berufliches Tätigkeitsverbot als Fall der vorübergehenden Verhinderung

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind Arbeitgeber, sofern die dahingehende Regelung nicht arbeitsvertraglich abbedungen ist, im Fall eines angeordneten beruflichen Tätigkeitsverbots nach § 31 IFSG den betroffenen Arbeitnehmern/innen gegenüber dennoch für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Dauer (d.h. vorübergehend) zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Ein solches behördlich angeordnetes berufliches Tätigkeitsverbot stellt insoweit einen vorübergehenden und persönlichen Verhinderungsgrund gemäß § 616 BGB dar (BGH, in: NJW 1979, Seite 422).

Nach der Rechtsprechung ist auch dieser Anspruch auf Entgeltfortzahlung auf höchstens sechs Wochen begrenzt. Endet die Entgeltfortzahlung, lebt der Entschädigungsanspruch nach § 56 IFSG wieder auf.

Es besteht fortgesetzter Handlungsbedarf

Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sind aufgefordert, sich durchgehend über das aktuelle Infektionsgeschehen und die daraus für sie resultierenden Pflichten, insbesondere im Interesse einer gesundheitlichen Prävention oder unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht zu informieren und bei Bedarf entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Dr. Philipp Brügge

Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gründungspartner der Hamburger Sozietät münchow commandeur brügge. Er vertritt Privatpersonen sowie institutionelle Mandanten in allen Bereichen des Arbeitsrechts sowie des Arbeitsprozessrechts.