Achtung Arbeitgeber! Neue Vorgaben für den betrieblichen Infektionsschutz

Veröffentlicht am
Von Dr. Philipp Brügge
Zuletzt aktualisiert am

Achtung Arbeitgeber! Neue Vorgaben für den betrieblichen Infektionsschutz

Neue Arbeitsschutzregel tritt im August 2020 in Kraft

Dem Arbeitsschutz kommt in Zeiten der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle zu. Nach der im April dieses Jahres erfolgten Präsentation neuer Arbeitsschutzstandards für Zeiten der Corona-Pandemie liegen nun konkretere Handlungsempfehlungen vor: Der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) formuliert konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Krise. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel zur Bekanntmachung freigegeben. Diese tritt im August in Kraft.

Konkretisierung des SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards

Die neue Arbeitsschutzregel konkretisiert für den Zeitraum der Corona-Pandemie (gemäß § 5 Infektionsschutzgesetz) die zusätzlich erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen für den betrieblichen Infektionsschutz und die im SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard bereits beschriebenen allgemeinen Maßnahmen.

Betrifft alle Bereiche des Wirtschaftslebens

Die enthaltenen Maßnahmen der Arbeitsschutzregel richten sich an alle Bereiche des Wirtschaftslebens. Ziel ist es, das Infektionsrisiko für Beschäftigte zu senken und Neuinfektionen im betrieblichen Alltag zu verhindern. Abstand, Hygiene und Masken bleiben dafür auch weiterhin die wichtigsten Instrumente. Für eine branchenspezifische Umsetzung des Arbeitsschutzstandards haben die Unfallversicherungsträger für ihre Betriebe und Einrichtungen branchenspezifische Konkretisierungen entwickelt. Informationen zu den branchenspezifischen Handlungshilfen und Konkretisierungen des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards sind über das Informationsportal der Deutsche Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) abrufbar.

Arbeitsschutz ist Compliance – Umsetzungsbedarf für Arbeitgeber

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel enthält Konkretisierungen der Anforderungen der Verordnungen nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).

Arbeitgeber sind angehalten, die bestehende Gefährdungsbeurteilung und die festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes hinsichtlich eventuell zusätzlich erforderlicher Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes zu überprüfen und erforderlichenfalls zu aktualisieren. Insoweit ist zu empfehlen, sich an den Anforderungen dieser staatlichen Regel orientieren.
Bei Einhaltung der in der Arbeitsschutzregel vorgegebenen Konkretisierungen kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Anforderungen aus den Verordnungen erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Andere Lösungen können bei abweichenden Rechtsvorschriften der Länder zum Schutz der Beschäftigten vorrangig in Betracht kommen.

Besonderes Augenmerk auf Home-Office

Auch im Home-Office gelten Arbeitsschutz und Arbeitszeitgesetz.

Regelungen zu Arbeitszeiten und Erreichbarkeit sollen getroffen werden. Beschäftigte sind im Hinblick auf einzuhaltende Arbeitszeiten, Arbeitspausen, darüber notwendige Dokumentation, die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und die Nutzung der Arbeitsmittel, zum Beispiel korrekte Bildschirmposition, möglichst separate Tastatur und Maus, richtige und wechselnde Sitzhaltung und Bewegungspausen zu unterweisen.

Der Arbeitgeber muss durch geeignete Arbeitsorganisation sicherstellen, dass Beschäftigte, denen entsprechende technische Möglichkeiten für das Homeoffice im Moment nicht zur Verfügung stehen, ihre Arbeitsaufgaben erfüllen können und ausreichend Zugang zu betrieblicher Kommunikation und Informationen haben.

Rückkehr zur Arbeit nach einer SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung

Beschäftigte, die nach einer COVID-19-Erkrankung zurück an den Arbeitsplatz kommen, müssen vor Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit Informationen darüber bekommen, welche Schutzmaßnahmen aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie im Betrieb bzw. der Einrichtung getroffen wurden.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Bei einer Arbeitsunfähigkeitsdauer von mehr als sechs Wochen in den letzten 12 Monaten ist der Arbeitgeber zudem verpflichtet, den betroffenen Beschäftigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 167 Absatz 2 SGB IX anzubieten. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber klären muss, „wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.“

Grundsätzlich müssen Beschäftige gegenüber dem Arbeitgeber im Falle einer Erkrankung keine Diagnosen oder Krankheitssymptome offenbaren. Gegebenenfalls erforderliche Informationen des Arbeitgebers übernimmt das Gesundheitsamt im Rahmen der Quarantäneveranlassung. Erhält der Arbeitgeber Kenntnis über die Ansteckung einer/eines Beschäftigten, gilt es, deren/dessen Identität soweit es geht zu schützen, um einer Stigmatisierung von Betroffenen vorzubeugen.

Grundsatz der aktiven Kommunikation: Information und Unterweisung zum Arbeitsschutz

Arbeitgeber sind gehalten, Ihre Beschäftigten aktiv zu informieren. Ergibt sich auf Grund der aktualisierten Gefährdungsbeurteilung, dass Infektionsgefährdungen am Arbeitsplatz durch die epidemische Lage bestehen und zusätzliche Maßnahmen zum Infektionsschutz umzusetzen sind, müssen die Beschäftigten in dieser Hinsicht vor Beginn der Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen sowie bei wesentlichen Änderungen hierzu unterwiesen werden. Arbeitsschutzunterweisungen nach§ 12 ArbSchG und den spezifischen Arbeitsschutzvorschriften müssen auch während einer Epidemie durchgeführt werden. Die Durchführung der Unterweisung über elektronische Kommunikationsmittel ist in der Epidemiesituation möglich.

Für eine fortlaufende Beobachtung der Auswirkungen der Arbeitsprozesse auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind insbesondere die Führungskräfte zu sensibilisieren. Bei Bedarf sind die Arbeitsschutzexperten, wie zum Beispiel Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte sowie andere fachkundige Personen, hinzuziehen.

Höhere Anforderungen an Schutzmaßnahmen für besondere Arbeitsstätten

In einem Anhang zur neuen Arbeitsschutzregel SARS-CoV-2 werden zudem höhere Anforderungen an die Schutzmaßnahmen für besondere Arbeitsstätten und Arbeitsplätze sowie besondere betriebliche Einrichtungen gestellt; zu nennen sind hier beispielsweise Baustellen, Außen- und Lieferdienste, der öffentliche Verkehr sowie Unterkünfte.

Empfehlung zur Umsetzung der Schutzmaßnahmen

Betriebe, die die in der SARS-CoV-2-Regel vorgeschlagenen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen umsetzen, können davon ausgehen, dass sie rechtssicher handeln. Zudem erhalten die Aufsichtsbehörden der Länder eine einheitliche Grundlage, um die Schutzmaßnahmen in den Betrieben zu beurteilen.

Dr. Philipp Brügge

Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gründungspartner der Hamburger Sozietät münchow commandeur brügge. Er vertritt Privatpersonen sowie institutionelle Mandanten in allen Bereichen des Arbeitsrechts sowie des Arbeitsprozessrechts.