Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie: Leistungsverweigerung wegen Corona?

Seit dem 01.04.2020 gilt das Artikelgesetz zur Corona-Pandemie

Die Ausbreitung des Corona-Virus (COVID-19-Pandemie) hat zu ganz erheblichen Einschränkungen in allen Bereichen des Privat- und des Wirtschaftslebens geführt. Durch Produktionsausfälle, infektionsbedingte Betriebsschließungen oder das Abbrechen von Liefer- und Auftragsketten etc. sehen sich viele Verbraucher und Unternehmen aktuell und mit ungewisser zeitlicher Prognose mit erheblichen Umsatz-, Gewinn- und Verdiensteinbußen konfrontiert.

Seit dem 01.04.2020 ist das Artikelgesetz zur Corona-Pandemie („Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“) vom 27.03.2020 in Kraft. Hintergrund des Gesetzes ist es, die Folgen der COVID-19-Pandemie für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft sowie für Gerichte abzufedern. Die Regelungen gelten grundsätzlich für einen begrenzten Zeitraum und sollen bis zum Ende der derzeitigen Ausnahmesituation die Rückkehr zur bisherigen Rechtslage sichern.

Leistungsunfähigkeit wegen Corona-Pandemie: Temporäres Leistungsverweigerungsrecht

Das Gesetz sieht Regelungen u.a für von der Corona-Pandemie betroffene Verbraucher und Kleinstunternehmer vor. Gemäß Art. 240 § 1 EGBGB können Verbraucher und Kleinstunternehmer bei einer auf die Corona-Pandemie zurückzuführenden Leistungsunfähigkeit Leistungen verweigern, die aus einem wesentlichen Dauerschuldverhältnis herrühren. Von dieser Regelung darf nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden (Art. 240 § 1 Abs. 5 EGBGB).

Grundsätzlich gilt bei Geldschulden: „Geld hat man zu haben!


Grundsätzlich gilt, dass ein Schuldner, sofern er nicht zahlen kann oder will, aufgrund einer Mahnung oder bei deren Entbehrlichkeit in Verzug gerät und insoweit zum Ersatz des Verzugsschadens verpflichtet sein kann (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB). Daneben kann dem Gläubiger bei (endgültigem) Ausbleiben der Gegenleistung ein weiterer Anspruch auf Schadensersatz zustehen (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB).
Hinsichtlich der Verpflichtung zur Begleichung von Geldschulden gilt, dass eine auf wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners beruhende eingeschränkte bzw. fehlende Leistungsfähigkeit den Schuldner auch dann nicht vor einer Inanspruchnahme auf (Verzugs-)Schadensersatz schützt, wenn die Leistungsunfähigkeit auf von dem Schuldner nicht zu verschuldenden Gründen beruht. Jeder hat ohne Rücksicht auf Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen. Dahinter steht die gesetzgeberische Wertung, dass insofern eine strengere Haftung im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben ist.

Verhinderung des Anspruchs auf die Gegenleistung (Zahlung) durch Leistungsverweigerungsrecht

Durch ein (berechtigtes) Leistungsverweigerungsrecht können Schuldner temporär die Durchsetzbarkeit des Gegenleistungsanspruchs (Zahlungsanspruchs) verhindern und somit dem Entstehen von Schadensersatzansprüchen (Verzugsschaden) vorbeugen. Bei dem Leistungsverweigerungsrecht handelt es sich um eine rechtshemmende Einwendung. Dies erfordert die einredeweise Geltendmachung durch den Schuldner.

Das Artikelgesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie räumt Verbrauchern und Kleinstunternehmern unter bestimmten Voraussetzungen ein temporäres Recht auf Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts ein. Als Kleinstunternehmen werden innerhalb der Gruppe der Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) Unternehmen definiert, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. EUR nicht überschreitet (Empfehlung der EU-Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen 2003/361/EG).

Gesetzliche Neuregelung bezieht sich auf Dauerschuldverhältnisse

Dabei handelt es sich um Verträge über sich in Art und Umfang grundsätzlich nicht verändernde, periodisch wiederkehrende Leistungen und Gegenleistungen. Wesentlich sollen alle Dauerschuldverhältnisse sein, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind. Erfasst werden daher ähnliche Verträge, wie bei Verbrauchern.

Leistungsverweigerungsrecht erfasst Ansprüche „im Zusammenhang mit einem Vertrag“

Zu beachten ist aber, dass Unternehmen nicht nur die Erfüllung von Gegenleistungspflichten, die auf eine Geldzahlung gerichtet sind, verweigern dürfen. Auch Leistungen anderer Art, wie zum Beispiel Dienstleistungen, sind erfasst. In den Anwendungsbereich des Leistungsverweigerungsrechts fallen somit auch Rückgewähransprüche, vertragliche Schadensersatzansprüche und Aufwendungsersatzansprüche, die vor Inkrafttreten der Regelung entstanden sind. All diese Ansprüche stehen „im Zusammenhang mit einem Vertrag“, wie es Abs. 1 und Abs. 2 fordern.

Kausal auf die Corona-Pandemie zurückzuführende Leistungsunfähigkeit

Damit das Leistungsverweigerungsrecht besteht, muss die Leistungsunfähigkeit des Schuldners kausal auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein. Von einer durch das Corona-Virus bedingten Leistungsunfähigkeit ist bei Kleinstunternehmen auszugehen, wenn Leistungen von dem jeweiligen Unternehmen nicht erbracht werden können oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistung nicht möglich ist, ohne hierdurch die wirtschaftlichen Grundlagen des eigenen Erwerbsbetriebs zu gefährden. Im Falle von Verbrauchern dürfte von einer durch das Corona-Infektionsgeschehen bedingten Leistungsunfähigkeit auszugehen sein, wenn diese die Leistung nicht mehr erbringen können, ohne dass hierdurch deren angemessener Lebensunterhalt gefährdet oder ein angemessener Lebensunterhalt eines unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre.

Stichtag: 8. März 2020

Weitere Voraussetzung der Leistungsverweigerung ist, dass das Dauerschuldverhältnis vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde. Hintergrund dieser zeitlichen Begrenzung ist, dass der Gesetzgeber annimmt, dass bis zu diesem Termin die pandemieartige Ausbreitung des Corona-Virus in der breiten Öffentlichkeit noch nicht absehbar gewesen sei. Vertragsparteien, die vor diesem Zeitpunkt einen Vertrag geschlossen haben, wird insoweit unterstellt, dass sie noch nicht erkennen konnten, dass sie nicht leistungsfähig sein werden. Hingegen sieht der Gesetzgeber Vertragsparteien, die nach diesem Stichtag noch Verträge geschlossen haben, als nicht mehr schutzwürdig an. Wer einen Vertragsrücktritt mit einer corona-bedingten Änderung der Geschäftsgrundlage begründen will (§ 313 Abs. 3 BGB) dürfte etwa vor Gericht künftig schlechte Karten haben, sofern der Vertrag erst am oder nach dem 8. März 2020 geschlossen wurde.

Befristung bis zum 30. Juni 2020

Die Regelung gilt zunächst befristet bis zum 30.06.2020 (mit der Möglichkeit einer Verlängerung bis zum 30.09.2020). Zu beachten ist jedoch, dass die Leistungspflichten nicht erlöschen, sondern lediglich aufgeschoben (gehemmt) werden.

Keine Einbahnstraße: Risiko kumulierter finanzieller Belastungen beachten!

Es mag für Betroffene durchaus interessant sein, sich in der aktuellen Situation auf das neu geschaffene Leistungsverweigerungsrecht zu berufen. Aber auch im Falle seiner berechtigten Ausübung birgt das Recht, bei einer auf die Corona-Pandemie zurückzuführenden Leistungsunfähigkeit die Gegenleistung zu verweigern, für die Schuldner das Risiko sich kumulierender finanzieller Belastungen. Da die Regelung lediglich zeitlich befristet ist, dürften sich Schuldner im Anschluss an die Leistungsverweigerungsphase vielfach mit der Situation konfrontiert sehen, dass neben den aufgrund eines berechtigten Leistungsverweigerungsrechtes gehemmten Forderungen aus der Phase der Corona-Pandemie zudem die weiteren aus Leistungen oder Lieferungen entstandenen oder noch entstehenden Forderungen der Gläubiger geltend gemacht werden.

Es empfiehlt sich daher vielfach, dass Parteien, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen miteinander verbunden sind, Ratenzahlungsvereinbarungen schließen, um ein Auflaufen von ggf. für den Schuldner zu hohen Forderungen bestmöglich vermeiden. Dabei sind jedoch insolvenzrechtliche Risiken und Fragestellungen stets im Auge zu behalten. Zudem sollten Schuldner, die sich auf das neue Leistungsverweigerungsrecht berufen, im Falle von Zahlungen auf eindeutige Tilgungsbestimmungen achten, um das Eingreifen der gesetzlichen Tilgungskriterien (§ 366 BGB, Anrechnung der Leistung auf mehrere Forderungen) bestmöglich zu vermeiden.

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