Im Arbeitsverhältnis besteht die Pflicht, auf die Interessen und berechtigten Belange der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Diese allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen und Belange ist als solche in § 241 Abs. 2 BGB normiert. Diese Pflicht gilt für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer gleichermaßen. Daneben sieht der Gesetzgeber für Arbeitgeber eine besondere Fürsorgepflicht vor, die in § 618 Abs. 1 BGB normiert ist.
Hiernach hat der Arbeitgeber [Dienstberechtigte] „Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet“.
Nicht zuletzt im Interesse einer besicherten Planung des Geschäftsbetriebes und einer Prävention gegen (ggf. weitere) krankheitsbedingte Ausfälle oder eine unnötige riskierte Ausbreitung des Infektionsgeschehens besteht eine besondere Informationspflicht für Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält Arbeitgeber für verpflichtet, ihre ArbeitnehmerInnen über ein erhöhtes Infektionsrisiko zu informieren, wenn ein solches besteht. Für Arbeitgeber wichtig zu wissen ist, dass die Kausalität zwischen einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers und einer Gesundheitsverletzung des Arbeitnehmers dabei zu vermuten ist.
Informationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Viele Unternehmen beobsachten die Entwicklungen rund um das Corona-Virus (COVID-19) mit wachsender Sorge. Die Situation entwickelt sich weiterhin extrem dynamisch. Es ist derzeit nicht abzusehen, wie lange welche Lebensbereiche nur eingeschränkt oder ggf. überhaupt nicht funktionieren werden. Dies gilt in erheblichem Maße auch für die Arbeitswelt, da Prozesse und unternehmensinterne Abläufe und nicht zuletzt die Auftrags- und Umsatzsituation unmittelbar oder mindestens mittelbar durch diese Einschränkungen betroffen sind.
Um sich auf die bereits bestehenden und ggf. weitere Einschränkungen und daraus resultierende Herausforderungen einzustellen und vordringlich auch um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich vor gesundheitlichen Schäden und Nachteilen zu schützen, ist Unternehmen zu empfehlen, bestehende Regularien und Vorgaben zu betrieblichen bzw. betriebsinternen Abläufen auf den Prüfstand zu stellen und (Präventions-)Maßnahmen einzuführen, welche dem Risiko von Schäden für Belegschaft und Unternehmen bestmöglich vorbeugen. Hierz zählt insbesondere auch eine Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht aus Ausgangspunkt
Arbeitgeber sind zum Schutz der Gesundheit ihrer MirarbeiterInnen verpflichtet. Diese Pflicht intensiviert sich naturgemäß in (Arbeits-) Bereichen, in denen vermehrt Kundenkontakt besteht bzw. MitarbeiterInnen im Laufe Ihrer Tätigkeit vermehr mit anderen Personen in Kontakt kommen und damit auch die Risiken einer Infektion bzw. deren Verbreitung (zumal im Betrieb) steigen.
Aufklärung über Infektions- und Erkrankungsrisiken
Die Information und Aufklärung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte dabei insbesondere über Infektions- und Erkrankungsrisiken sowie typische Krankheitssymptome erfolgen. Hierbei ist optimalerweise auf die entsprechenden behördlichen Empfehlungen zurückzugreifen (z.B. die Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA, oder der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin). Arbeitgebern ist zu empfehlen, sich regelmäßig zu informieren, um auf dem neuesten Stand zum beruflichen Umgang mit dem neuartigen Corona-Virus zu bleiben
Erforderlichenfalls hat der Arbeitgeber für hinreichend Schutzmaßnahmen zu sorgen.
Verhaltensregeln für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Arbeitgebern ist zu empfehlen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch unter Berücksichtigung der behördlichen Empfehlungen über konkrete Verhaltensregeln im Arbeitsverhältnis informieren und anhalten, diese zu befolgen, z.B.
- Hinweis zur Vermeidung von Dienstreisen (zumal in Risikogebeite oder besonders gefährdete Gebiete) sowie Hinweis, dass diese im Zweifel nur nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber durchgeführt werden. ArbeitnehmerInnen sollten aufgefordert werden, den Arbeitgeber unverzüglich über etwaige anstehende bzw. ggf. bereits gebuchte (Dienst)Reisen in Risikogebite bzw. besonders gefährdete Gebiete zu informieren.
- Vorgaben hinsichtlich etwaiger Rückkehrer (zumal Urlaubsrückkehrer) aus Risikogebieten oder besonders gefährdeten Gebieten, die in den letzten 14 Tagen in den vom Robert Koch-Institut (RKI) offiziell erklärten Risikogebieten waren. Für diese Personengruppe gilt gemäß den offiziellen Empfehlungen 14 Tage Home-Office in Selbst-Quarantäne ab dem Zeitpunkt, in dem das jeweilige Risikogebiet verlassen wurde.
- Vorgaben hinsichtlich Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern, die ggf. Symptome einer Infektion oder einer Erkrankung zeigen oder die zu einer der besonders gefährdeten Risikogruppen gehören (u.a. Personen die älter als 60 Jahre sind, Personen mit ernsten Vorerkrankungen, Personen mit einem geschwächten Immunsystem etc.)
- Vorgaben zu Prozess- und Verfahrensabstimmungen, z.B. Vorgaben für das Durchführen von Meetings und Besprechungen dahingehend, dass diese möglichst nur telefonisch oder in Videokonferenzen zu erfolgen haben.
- Hinweise hinsichtlich erhöhter Infektionsrisiken (z.B. im Zusammenhang mit dem Arbeitsweg und der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (ÖPNV)
- Hinweise und Informationen zu allgemeinen Hygiene-Verhaltensregeln im Zusammenhang mit Hygiene (z.B. regelmäßiges Händewaschen, Desinfizieren, Einhalten eines angemessenen Mindestabstandes zu anderen Personen, Verbot des Händeschüttels etc., bestnmögliche Vermeidung größerer Zusammenkünfte, insbes. auch Meeting etc.)
- Erörterung der Möglichkeiten und Vorgaben zur (temporären) Einführung von Schicht-Modelle (wobei u.a. die Vorgaben des Arbeitszeitrechtes und, sofern einschlägig, des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) im Hinblick auf Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrates zu berücksichtigen sind)
- Identifikation und Abstimmung der Anwesenheiten in Präsenzbereichen, die für die notwendige Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwwendig und daher (ggf. ebenfalls im Schicht-Modell) zu besetzen sind.
- Treffen von Vorbereitungen für ein notfalls verstärktes Arbeiten in Form von (ggf. alternierender) Telearbeit / Home-Office unter Berücksichtigung der technischen und organisatorischen Gegebenheiten (Abstimmung mit IT etc.) in Absprache zwischen den Arbeitsvertragsparteien (ggf. unter Berücksichtigung von Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechten des Betriebsrates sowie arbeitsschutzrechtlicher und datenschutzrechtlicher Vorgaben).
Beobachtung der aktuellen Entwicklungen
Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sollten sich in Anbetracht der sehr dynamischen Entwicklungen rund um das Corona-Infektionsgeschehen selbst regelmäßig informieren.